Wenn der Wind jagt, jagt der Jäger nicht – oder doch?
Der größet Unterschied zwischen Berufsjägern und Hobbyjägern ist wohl der, das der Hobbyjäger zunächst seine Brötchen verdienen muss, bevor er Zeit für die Jagd hat – also am besten am Wochenende.
Zu einem Wochenende im Juni verabredete ich mich mit meinem „Sumpf-Lehr-Prinz“ um gemeinsam ein paar Tage jagdliche Zeit zu verbringen. Dazu reiste ich am Freitag an und war doch etwas früher da als der Revierinhaber. Also nutze ich schon mal die Zeit um an der Kanzel „Damwild 1“ nach dem rechten zu schauen. Wie der Wetterbericht mir schon Tage zuvor beschrieben hatte war es böig mit Windgeschwindigkeiten bis 30km/h… ob das was wird? Ein weibliches Stück Rehwild naschte sich durch die Wiese und ich hoffte, dass das übrige Wild die Sache mit dem Wind auch nicht so ernst nehmen würde.
Die Kanzel rappelte ganz ordentlich im Wind und auch die Wespe, die wohl das dritte Mal versuchte ein Nest am Fenster zu bauen, hatte echte Schwierigkeiten ihre Landemanöver durchzuführen. Ganz im Gegensatz zu den Kranichen, fünf dieser Aristokraten wateten über die Wiese und suchten nach Nahrung. Man hätte meinen sollen, sie hätten das Aussehen von Omas Staubwedel annehmen können, aber man sah ihnen das Wetter nicht an.
Nach gut 1 ½ Std. baumte ich ab und traf mich dann mit meinem Lehrprinzen zur Lagebesprechung. Schnitzel oder Ansitz ? Mittlerweile sprach das Zeiteisen von 20:30Uhr und es wurde Zeit sich zu entscheiden. Genau der richtige Zeitpunkt, der Wind nahm ab, die Sonne lachte – Ansitz! Schnitzel kann man immer Essen.
Es sollte wieder die Straßenkanzel werden, jener etwas enge Platz mit den Drahtstühlen und Plastikbändern als Sitzauflage aus den ‘70ern die mir bei meinem ersten Ansitz mit Waffe schon hakelige Dienste leisteten. Aber diesmal zu zweit. Mit dabei war auch Goya ein kuschelige Kopovhündin sowie eine Blockbüchse im Kaliber 7x65R – schönes Ding!
Feldreviere und solche Vegetationsreviere wie der Sumpf unterscheiden sich oft in der Häufigkeit des Anblicks. Feldreviere finde ich spannend, weil man immer mit einer Überraschung rechnen muss. Es ist immer irgendwie spannend. Aber – Monokulturen und Strukturarmut sei dank, sieht man eben manchmal auch nix. Im Moor ist das anders, man sieht eigentlich immer irgendwas, das meiste ist nur nicht immer jagdbar. Z.B. jetzt das weibliche Rehwild. Schon öfter habe ich erlebt das Rehwild fast synchron zum Äsen ihre Einstände verlässt. Das ist dann wie ein Ballett der schönen Grazien, so auch an diesem Abend.
Wir schnackten über Hubertus und die Jägerwelt und übten uns im Ansprechen des Rehwildes. Ist es nun eine Ricke oder doch ein Schmalreh? Wie schwer ist es doch gerade im hohen Gras die Spinne erkennen zu können. Letztlich muss ich sagen, dass Rehe besonders schöne Tiere sind – ich finde sie sehr galant du sie wirken so neugierig – tolle Tiere. Sie reagieren aber sehr empfindlich auf Stress, den sie sich vor allem dann selbst bereiten, wenn es zu viele gibt. Innerartlichen Stress nennt man so etwas. Würde man hier nicht mit der Waffe hegen, würden die Rehe sich gegenseitig so lange ärgern bis sie krank werden.
Geht uns Menschen ja oft nicht anders – Stress ist eben nicht gesund.
Nun fügt es sich ja, das Rehe auch noch außerordentlich gut schmecken – ich denke da ans rosa gebratene Rehmedaillon auf einem Tymiansoßen-Spiegel an etwas Kartoffelgratain… *sabber* , den Leberwürfel im Salbei-Speckmantel oder ein feines Rehgulasch mit frischen Spätzlen und einem Kopfsalat mit Zitronen-Sahnedressing….
Zurück zum Ansitz
Gegen 21:45Uhr tummelte sich an den Knospen knabbernd ein Bock ins Feld – auf so einen haben wir gewartet. Oder besser ich. Angesprochen wurde er zunächst flüchtig als älterer Spießer. Das sind Böcke mit spitzen Stangen, welche keine Verzweigungen haben. Sie neigen dazu bei Kämpfen mit Artgenossen den Kontrahenden zu forkeln, also aufzuspießen. Keine gute Sache und wenn man Tiere mag dann ist es besser man nimmt so einen frühzeitig aus dem Bestand. Wir haben ihn dann noch besser ansprechen können und wir sind übereingekommen, das ist der erste Bock in meinem Jägerleben. Auf gut 100m stand er noch rechtbreit als ich anfing meinen Stuhl erstmal um 180° zu drehen, saß ich doch mit dem Rücken zum Schussfeld. Was für ein Gefuchtel ! Zumindest waren nach dieser Aktion 3 Beine des Stuhls auf dem Kanzelboden – Zurücklehnen war da nicht so gut. Nun Waffe hoch genommen und angelegt, Bock steht spitz – doof – warten. Bock tapert weiter, steht breit aber nen Binsenbusch verdeckt mir die Sicht auf`s Blatt. – Warten – Bock schlendert äsend weiter, steht breit. Ich schaue durchs Zielfernrohr und es ist grün. Ja, Blätter vor dem Objektiv. Waffe nach links positioniert – Bock war nicht untätig und steht mit der vorderen Hälfte bereits im Busch.
Wieder heißt es Warten. „Der kommt wieder!“ meint der Chef. Ich warte. … und warte … und tatsächlich der Racker schiebt sich wieder aus dem Busch. Er tingelt auf eine Eiche zu, gerät er dahin und geht im Sichtschatten weiter, ist er für mich weg. Es heißt handeln.
Anders als auf dem Schießstand haben die Böcke dummerweise keine Ringe aufgemalt, es versperren Grashalme die Sicht und die „Scheibe“ bewegt sich gelegentlich. Da braucht der gemeine Jungjäger schon mal ein paar Minuten um in Ruhe den Schuss antragen zu können. Dem wissenden und erfahren Jäger ergeht freilich ein Grinsen – „wie lange braucht der noch ?“ – aber ich lies mich nicht aus der Ruhe bringen, „es braucht so lange wie es eben braucht!“ – bevor ich da ne Kugel hinwerfe und das Tier schlecht erwische und es dann leidet.
Erstaunlicher Weise ging mir Tage zuvor alles Mögliche durch den Kopf zum Thema: „Den ersten Bock erlegen – Ein Tier töten“. Auf der anderen Seite bin ich gelernter Koch und schon ein paar Jährchen Angler mit „Kochtopfverhalten“. Wenn es sinnvoll verwertet wird oder einen vernüftgen Grund gibt ein Tier zu töten, dann habe ich damit kein Problem. Mag zunächst herzlos klingen ist aber wohl überlegt. Und so kam es nicht zum großen Zittern. Mag sein das meine jagdliche Unterstützung anwesend war und ich auch deshlab ruhig blieb.
Die Ohrenschützer aufgesetzt, anvisiert … tja und da war noch ein Problem, die passende Höhe konnte ich gut ermitteln aber den richtigen Punkt auf der Horizontallinie musste ich etwas erahnen. Aber ich war mir schon sehr sicher. Der Schuss brach, die 7x65R flog und ich sah natürlich durchs Glas. Das war nur nix, alles was ich gesehen habe war völlig orange. Hab durchs Feuer geschaut.
Mein Begleiter berichtete aber, ich hätte gut getroffen, der Rehbock hätte den Knall nicht mehr gehört und wäre an Ort und Stelle zusammen gesunken.
Warten – bange Minuten – Zeit für Demut
„Hast Du richtig getroffen?“ - „Sicher, dass es kein Krellschuß war?“ – Sofortiges Zusammenbrechen läßt ja eher auf einen hohen Schuss schließen - Wirbelsäule? – Ich konnte ja noch nicht sagen ob ich wirklich gut getroffen hatte und natürlich wollte ich sicher gehen, dass das Reh nicht leiden musste. Man geht da schon in sich und denkt noch einmal über alles nach. Gut so. Und dabei kommt dann die Aufregung. Regelrecht aufgewühlt fühlte ich mich - jetzt erst. Neugierde und die ganze Atmosphäre – das spielt schon eine große Rolle. Das kann ich auch nicht in Worte fassen, das erlebt auch jeder anders, alle haben aber die Aufregung. Und das ist ebenfalls gut, Jagd ohne Emotionen wäre entsetzlich.
Goya wurde nach einer Zigarettenlänge unruhig, ein Knall bedeutet für Sie Arbeit. Obwohl wir natürlich wussten wo das Stück liegt durfte der Hund suchen. Mit dem Wind in kleinem Bogen und in nur 3-5 Minuten (Sumpf, hohes Gras und dicke, langsame Männer) brauchte sie um sich ihrer Sache ganz sicher zu sein. Der Hundeführer wollte eigentlich wo anders hin, aber die Hündin war mit der Nase schon am Schweiß. Toller Hund! Kluger Hund!
Wir wußten wo das Stück lag? Goya wußte es besser!
Der letzte Bissen wurde ausgegeben und mein Jagdherr überreichte mir den Erlegerbruch mit einem Lächeln und natürlich „Weidmannsheil“. Für viel mehr blieb keine zeit, das Tier musste versorgt werden.
Die rote Arbeit erledigte ich nicht im Sumpf, die Mücken und ein stumpfes Messer hätten eine saubere Arbeit verhindert. Gut 15 min später war das Stück in der Wildwanne und weitere 10 Minuten später begann ich mit dem Aufbrechen. Dabei wurde mir auch klar, warum das Stück sofort in sich zusammenbrach und schnell verendete. Ich traf eine Stelle an der sämtliche lebenswichtigen und blutfüllenden Organe getroffen wurden. Das Kaliber 7x65R mit einem Teilmantelgeschoss ist ein recht rasantes Kaliber und durchaus auch für Rotwild geeignet. Für einen kleinen Rehbock vielleicht etwas oversized. Aber, das Resultat war ein guter Ein- & Ausschuss mit großer Zerstörung der inneren Organe die zu einem blitzartigen Verenden des Stücks geführt haben. Insofern – also perfekt.
Nun war noch etwas Zeit für nachträgliche Gedanken, für ein anständiges Verblasen war es nun wirklich zu spät, die Nachbarn hätten wohl wenig Verständnis gehabt, aber so ein paar Minuten war ich schon gern da um den Augenblick für mich festzuhalten. Das ist schon etwas sehr persönliches – der erste Bock – das vergisst man wohl nie.
Ich denke mir heute: so lange ich mir diese Zeit nehme, und mich noch Gefühle leiten, so lange habe ich Respekt vor der Kreatur – so lange bedeuten mir die jagdlichen Werte, die Weidgerechtigkeit, sehr viel.
So lange kann ich Jagd mit mir vereinbaren.
Jahre zuvor wurden an der gleichen Stelle immer wieder solche "Drückeberger" erlegt, möglicher Weise sind es alles Brüder. Man kann ganz gut erkennen, dass trotz verschiedenen Alters, die Gehörnform sich doch sehr ähnelt. Der erste Bock ist wahrscheinlich etwas älter als 4 Jahre, der Zweite ein Jährling, der dritte vielleicht 3-4. Dennoch sind alle bestenfalls als Gabler anzusehen. |